Meine Sicht auf Liga Drei (22)
Einen gnadenlos subjektiven, aber nicht allzu ernst nehmenden Blick auf die Dritte Liga Süd wagt Sportskanone Erhard VerWunderlich
Folge 22: Nach dem 18. Spieltag
Es ist wahrlich nicht langweilig in hiesigen Zeiten, wenn man im Gäu dem Handball ein wenig zugeneigt ist. Anstehende Trainerwechsel, ein sich drehendes Spielerkarussell sowie ein Punktabzug am grünen oder vielleicht auch am Marmortisch der DHB- Chefetage lassen wahrlich reichlich Spielraum für anregende und aufregende Diskussionen.
Dass nach dem Abgang von Axel Kromer relativ schnell ein Nachfolger für das Flagschiff der SG gefunden wurde, mag wenig überraschen. Dass der neue, starke Mann Stephan Christ heißt, ließ dagegen so manchen am Fuße der Stiftskirche beim morgendlichen Frühstück doch noch einmal beherzt zur Kaffeetasse gegriffen haben lassen, um nun doch richtig munter zu werden. Denn überraschend ist die Personale allemal. Wobei man natürlich bei genauerer Betrachtung erkennt, dass die Leitung der Spielgemeinschaft damit mehr als nur zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen hat. Dass Christ den Verein verlassen wollte, um sich weiterzuentwickeln, war wohl bekannt. Um den unbestritten guten Trainer zu halten, musste ihm natürlich etwas geboten werden. Zwei neue Trainer für die erste und die zweite Mannschaft zu suchen, wäre dann wohl doch zu schwierig geworden. Der frei gewordene Chefsessel kam da gerade zur rechten Zeit. Ob Stephan Christ zufällig zum ungefähr selben Terminus mit dem Finger schnipste und laut hüstelnd seinen Abschied propagierte oder er damit seine Vorgesetzten sanft auf seine Person aufmerksam machen wollte, bleibt wohl ein kaum zu lüftendes Geheimnis.
Verdient hat der Neu-Trainer die Chance aber auf jeden Fall. Viele der Spieler kennt er noch aus seiner Krabbelgruppe der Landesliga, wobei damit schon der nächste Aspekt offen gelegt ist. Ganz unbeleckt übernimmt er das Team dadurch nicht. Auch hier weiß aber niemand im Vorfeld, ob das nun gut oder schlecht ist, wenn man sogar das Konfirmationsgewicht seines ballwerfenden Schützlings kennt. Aber auch das werden wir erfahren, um im Nachhinein sagen zu können: Ich habs ja gewusst, in welche Richtung auch immer. Damit kann man ja nie falsch liegen und man beweist zudem Sachverstand auf höchster Ebene.
Letztlich steht aber natürlich noch ein anderer Aspekt im Raum. In Zeiten, in denen jeder Klub in jeder Sportart, außer vielleicht die selbstbesungene "Forever Number one" von der Säbener Straße aus Bayerns Landeshauptstadt, händeringend nach Sponsoren und Geldgebern suchen muss, kann es sich auch ein provinzieller Drittligist nicht leisten, auf den Sterntaler zu warten und sein Kleidchen aufzuhalten für den warmen Geld- und Goldregen. Mann muss also auch einmal Respekt aufbringen für eine Philosophie, die zwar die kleinen, manchmal auch die ganz kleinen Schritte geht, aber am Ende den Drittligahandball am Leben erhält. Warnende Beispiele von hochfliegenden Ikarussen, die sich schwer die Flügel verbrannten und auf staubige Kreisligahallen stürzten, gibt es wahrlich genug in Handballdeutschland.
Und so scheint die Verpflichtung von Stephan Christ doch sinnvoller als ein Vertrag mit Alfred Gislasson. Dieser hätte wegen der schlechten S- Bahn-Anbindung für die tägliche Heimfahrt nach Kiel aber wohl sowieso abgesagt. Uns bleibt dagegen die Hoffnung, dass die Truppe in der kommenden Saison genügend Siege einfährt, um eine gute oder überhaupt eine Rolle in der dritten Liga zu spielen.
Wenn sie denn die errungenen Siege behalten darf und diese nicht aberkannt werden. Was hat man nach dem Remis gegen Friedberg nicht alles philosophiert, ob es nun ein gewonnener oder ein verlorener Punkt war. Nun hat uns die Realität eingeholt und alle Denk- und Rechenspiele zur Gleichgültigkeit degradiert. Im Nachgang wäre es wohl ganz gut gewesen, wenn der letzte Siebenmeter zur Schlusssirene nicht das Tor, sondern vielleicht den Fotografen dahinter getroffen hätte. Dann hätte sich jetzt zumindest niemand über den nachträglichen Punktverlust ärgern brauchen. Außer natürlich dem Spieler selbst, der Grund allen Übels war, aber am wenigsten dafür kann. Denn Marcel Kohler ist wohl in diesem Stück der wirkliche große Verlierer. Eine Sperre von dann insgesamt über vier Monaten, garniert mit zwei unberechtigten Einsätzen dazwischen, lässt einem schon das Wort Drama in den Sinn kommen. Bleibt zu hoffen, dass es bei einem einmaligen Szenario bleibt. Schade wäre es vor allem aber für die zweite Mannschaft, die in der Landesliga um den sicher geglaubten Meistertitel noch einmal bangen müsste.
Aber seien wir fair: Auch in der ersten Bundesliga im Fußball gab es ähnliches oder sogar besseres zu erleben. Wer erinnert sich nicht an Otto Rehhagels Komödienstadel, als er einst in Kaiserslautern auf geschichtsträchtig lustige Weise versuchte, seinen Ausländer, der zuviel auf dem Rasen stand, zu vertuschen. Aber wie meint schon der sportverrückte Lateiner: Errare humanum est. Oder wie ich sagen würde: Irren ist menschlich.