Meine Sicht auf Liga Zwei (12)
Einen gnadenlos subjektiven, aber nicht allzu ernst nehmenden Blick auf die Zweite Bundesliga Süd wagt Sportskanone Erhard VerWunderlich
Folge 12: nach dem neunten Spieltag
Es hat relativ lange gedauert. So wie jedes Jahr im Herbst die Blätter von den Bäumen fallen, stürzen mit gleicher Regelmäßigkeit die Trainer von ihren Stühlen. Oder werden gestürzt. Das ist aber völlig egal, weil in der nachfolgenden Pressemitteilung sowieso immer wieder das Gleiche steht. So hat es als Ersten in dieser knüppelharten Ausscheidungssaison den Übungsleiter des HSC Coburg, Raimo Wilde, getroffen. Einerseits reiner Zufall, weitere werden folgen, andererseits vorherzusehen, wenn man sieht, wie viel Trainer und Interims der Verein in den letzten Jahren verschlissen hat.
So wurde mindestens jährlich mal der Coach getauscht. Der Neue bringt natürlich wieder neue Ideen mit, will andere Spieler für sein System, und wenn er wieder gehen muss, fängt das Spielchen von vorne an. Ein schier undurchdringlicher Kreislauf. Grund hierfür ist natürlich immer die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Wenn Verein und Umfeld mehr Erfolg wollen, als überhaupt möglich ist, führt dies zwangsläufig zur Bruchlandung. Dann nützt auch kein gut besetzter Kader etwas, den der HSC durchaus vorzuweisen hat. Der Star ist die Mannschaft, sollte hier das Leitmotiv sein.
Zdenek Vanek soll es nun richten. Kein ganz unbekannter im Handballgeschäft. Ein tschechischer Riese mit einer interessanten Vita. Einst Erstligaspieler und Nationalmannschaftsrückgrat pendelt er im Trainergeschäft zwischen erster und fünfter Liga regelmäßig hin und her. Aus dem thüringischen Eisenach Bundesligaluft schnuppernd ging es aufs Dorf in die fünfte Liga. Dort roch es selten nach Bundesliga, eher nach Dorf eben. Was folgte, war wieder der Ruf des großen weiten Handballs. Vanek durfte seine Gummistiefel ausziehen und fortan mit seiner überforderten Mannschaft des Stralsunder HV Lehrstunden in Kiel und anderswo über sich ergehen lassen. Nach diesem Abenteuer ging es wieder in die Provinz zurück zu seiner alten Mannschaft, ehe nun das Handy mit Coburger Nummer schellte. Vielleicht darf er hier nun länger werkeln. Zu wünschen wäre es ihm aus zwei Gründen. Zum Einen sollte jeder Trainer die Chance erhalten, sein Können auch zu zeigen, zum Anderen, weil Vanek ein wirklich guter Coach ist. Beweisen wird er dies hoffentlich erst ab dem 14. November.
Das ist der Tag, nachdem Coburg in der Markweghalle gastierte. Dies wird wieder mal ein richtungweisendes Spiel sein. Nun, da auch auf dem Punktekonto der SG Realität eingezogen ist, begegnet man mal wieder einem Gegner, den man mit 100 Prozent Leistung schlagen kann. Bei den Derbys gegen Bietigheim und Bittenfeld, auch noch auswärts, werden die Spieler allesamt Bestform abrufen müssen, um den Hauch des Sieges auch nur ansatzweise aus der Ferne zu spüren. Erfreulich nach den letzten vier aufeinander folgenden Pleiten ist aber die Ruhe im Verein und im Umfeld. In anderen Orten verlangen Vorstand und Fans den Erfolg, den der Trainer erst einmal herunter reden muss. Stichwort überzogene Erwartungen. Bei der SG H2Ku hat man im Moment eher das Gefühl, es läuft alles anders herum. Trainer und Mannschaft fordern von sich wahrscheinlich mehr, als das komplette Umfeld von Ihnen verlangt. Wohl einmalig auf der sportlichen Landkarte. Aber das zeugt vom Ehrgeiz der Ballwerfer. Natürlich schielt man beim Trainerstab auch mal über den Tellerrand hinaus. Der Blick muss gar nicht so weit gehen. In Neuhausen, lange Jahre Regionalligakontrahent sieht man quasi vor der Haustür, was mit (relativ) bescheidenen Mittel möglich ist. Oder Erlangen: Nach dem Aufstieg 2008 konnte man sich kaum verstärken, verlor sogar noch seine slowakische Ballwurfmaschine Csaba Szücs. Der Klassenerhalt wurde trotzdem geschafft. Unter diesen Umständen kann man dann vielleicht auch wieder die Ungeduld eines Axel Kromer nachvollziehen.